Paderborner-Jugendfeuerwehr-Kaspertheater 1993-2000

Ein Artikel für die Festschrift zum 125 jährigen Jubiläum der Feuerwehr Paderborn

„ . . und die Jugendfeuerwehr kümmert sich um die Kinderbetreuung!”, hieß es bei den Vorbesprechungen zum „Tag der offenen Tür 1993″. Zusätzlich zu den obligatorischen Schauübungen der Jugendfeuerwehr sollte es aber etwas Neues geben. Die Kinder sollten etwas lernen und dabei Spaß haben: Brandschutzerziehung in kindgerechter Form.
In einem Paderborner Kindergarten fand Jugendfeuerwehrwart Robert Husemann die berühmten Original Hohnsteiner-Kasperhandpuppen stark verstaubt, aber säuberlich sortiert in ihren Wandhalterungen aufgereiht, und schon war die Idee geboren: Brandschutzerziehung mit einem Kaspertheater!
Ein Spieltext wurde von einem hessischen Feuerwehrversandhandel bestellt, und ein altes dreiseitiges Holz-Kaspertheater diente als Vorlage für eine stoffbespannte Puppenbühne. Die übrigen Betreuer in der Jugendfeuerwehr schauten erst ziemlich skeptisch, als Husemann die Idee vorstellte, Ralf Krawinkel, Guido Vogt und Dirk Scharf waren aber dennoch bereit, mit-zumachen.
Die Kindergartenleitung war von der guten Absicht schnell überzeugt und lieh die gewünschten Puppen aus. Der Spieltext lag drei Tage später vor, und die Dialoge lasen sich ganz interessant.
Zuvor gab es aber sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten, denn nicht alle Feuerwehrkollegen waren sofort Feuer und Flamme für dieses sonderbare Unternehmen. Für den Bau der Kasperbühne bot die Wachabteilung II Mitte ihre Hilfe an.

Aller Anfang ist schwer

Mit der eilig gebauten Puppenbühne konnten am 25. und 26. September 1993 in neun Vorstellungen rund 450 Kinder und ebenso viele Erwachsene zusammen mit dem Feuerwehrkasper den Feuerteufel überlisten und die gespielten Notfallsituationen bis zum Eintreffen der Feuerwehr meistern. Am Tag der ersten Vorstellung waren wir alle sehr nervös. Besonders Robert Husemann, denn alles musste klappen. Die Jugendfeuerwehr-Puppenbühne war schließlich ganz groß in den Medien angekündigt worden.
Die Puppenführung in der ersten Vorstellung war grausig. Die Figuren tauchten auf der Bühne auf und ab, die Puppen hielten die kleinen Hände auseinandergebreitet und wirkten wie klei-ne Klerikale beim Hochgebet. Ähnlich monoton klang auch der größtenteils abgelesene Spieltext. Das einzige Mikrofon hinter der Spielleiste wurde ständig herumgereicht und bescherte in der großen Fahrzeughalle eine Überakustik.
Es war ständig unruhig in der Fahrzeughalle, da es draußen pausenlos regnete und noch viele andere Aktivitäten hier stattfanden. Wenn der Kasperspieler versuchte, mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, konnte man die Zurufe der Kinder kaum verstehen.
Die Nebelmaschine für den Rauch aus Großmutters Küchenfenster verfehlte ihren dramatischen Zweck nicht. Das bewundernde „Ah, Oh” und „Guck mal, da brennt es!” der kleinen Zuschauer machten dem Kollegen von der Technik jedenfalls sehr viel Spaß. Erst als die Puppenspieler die Puppen und den Spieltext unter der Spielleiste nicht mehr sehen konnten, ließ er sich überreden, die Nebelmaschine auszustellen.
Im Laufe der nächsten Vorstellungen waren die Anfangsschwierigkeiten überwunden. Das Spiel wurde flüssiger. Viele Eltern fragten, wann die nächste Vorstellung sei, ihr Kind wollte unbedingt „Feuerteufel und die Pommes” zum dritten Mal sehen. Die Resonanz war überwältigend, und auch altgedienten Feuerwehrkollegen stand die Begeisterung ins Gesicht geschrieben.
Die Anfragen nach neuen Aufführungsterminen bestätigten, dass die Feuerwehr mit dieser Idee ins Schwarze getroffen hatte, und aus den Reihen der Jugendfeuerwehr kamen die ersten Jugendlichen und wollten beim Kaspertheater mitmachen. Aus der Jugendkasse wurden eigene Handpuppen gekauft, die Puppenbühne noch einmal umgebaut und das Paderborner Jugendfeuerwehr-Kaspertheater gegründet.
Anfänglich nur für ein Wochenende in der Brandschutzwoche 1993 geplant, war die Jugendfeuerwehr-Puppenbühne im Jahr 1994 bereits mit 49 Vorstellungen vor 1.600 Kindern unterwegs. Die erste Bühne war nie als Tourneebühne konzipiert. Die Einzelteile waren für den Transport viel zu sperrig, und zudem war die Bühne viel zu klein.
Die erforderlichen Auf- und Abbauarbeiten des Kaspertheaters dauerten mit Be- und Entladen des Lkw rund drei Stunden pro Veranstaltungstermin.
Da alle Veranstaltungen im Freien stattfanden, hätte ein plötzlich eintretender Regen starke Schäden an den wertvollen und empfindlichen Requisiten und den elektrischen Geräten hervorgerufen.

MoKaKi: Die große Lösung

Da sich die Anfragen an die Brandschutzkasperbühne von Jahr zu Jahr verdoppelten, plante die Puppenbühne 1995 die große Lösung und baute einen Pkw-Anhänger mit einem festen Aufbau, auf dem alle Requisiten mitgeführt werden konnten.
Die Spielöffnung der Bühne wird einfach seitlich aufgeklappt, die Beleuchtung, die Vorhänge, und die Kopfbügelmikrofonanlage sind fest installiert und stehen ohne zusätzliche Aufbauarbeiten sofort zur Verfügung. Lediglich die Kulissen müssen noch unter der Bühnendecke aufgehängt und die Lautsprecher draußen aufgestellt werden. Die „MoKaKi” (Mobile-Kasper-Kiste) wurde Anfang 1995 auf dem Hof Ilsemeyer in Eisen von den Feuerwehrmännern Josef Merla und Wilhelm Ilsemeyer gebaut. Die Finanzierung des Anhängers konnte durch die Vermietung von Werbeflächen an die Sparkasse Paderborn und die Provinzial-Versicherung sichergestellt werden. Mit Inbetriebnahme der MoKaKi und der Möglichkeit, nach nur zehn Minuten Aufbauarbeit spielbereit zu sein, stieg nicht nur die Zahl der Vorstellungen, sondern es begann auch eine ungewöhnliche Erfolgsstory.
Die Anfragen nach Vorstellungsterminen überschlugen sich in den ersten Jahren. Über 200 Vorstellungsangebote mussten allein 1996 abgesagt werden. Ende 1996 wies die Spielplanung 140 Vorstellungen an 57 verschiedenen Veranstaltungsorten auf. Über 10.000 Kinder bewältigten in jenem Jahr mit dem Feuerwehrkasper kleine und größere Notfälle. Da das Team nur an Wochenenden in der Freizeit spielen kann, war damit das Ende der Möglichkeiten für die Laien-Puppenspieltruppe erreicht. Unterstützung bekamen die Paderborner von anderen Jugendfeuerwehr-Puppenbühnen. Die Jugendfeuerwehr Vlotho und Wuppertal bauten ihre Puppenbühnen 1995 und 1996 teils mit Paderborner Unterstützung auf. 1997 kam die Jugendfeuerwehr-Puppenbühne Beverungen-Herstelle hinzu.
Die Westfälische Provinzial-Versicherung setzt seit einigen Jahren ein „Infomobil” für die Brandschutzerziehung für alle Stadt- und Kreisfeuerwehrverbände im Bereich Westfalen ein. Dabei ist die Puppenbühne nach den Vorgaben aus Paderborn mit eingebaut.

Auszeichnungen

Eine kleine Überraschung erlebte Husemanns Truppe zum Weltkindertag 1996. Die Stadt Paderborn ehrte die Puppenbühne am 20. September als „kinderfreundliche Einrichtung”. Im Beisein von Ministerpräsident Oskar Lafontaine wurde dem Paderborner-Jugendfeuerwehr-Kaspertheater am 12. September 1997 der Bundesförderpreis „Die Brandschutz 1″ durch den Präsidenten des Deutschen Feuerwehrverbandes in Saarbrücken verliehen. Mit diesem Förderpreis wird auf Bundesebene nur alle zwei Jahre eine besonders hervorragende Initiative im Bereich Brandschutzerziehung ausgezeichnet.
Als Gastgeschenk hatten die Paderborner einen roten Kasper für Ministerpräsident Oskar Lafontaine im Gepäck mit der Bitte, Lafontaine möge sich die Zeit nehmen, seinem Sohn Maurice mit diesem Kasper die kleinen und großen Weisheiten dieser Welt erklären. Die Medien berichteten vom „Roten Feuerwehrkasper aus dem schwarzen Paderborn”.

Hörspielkassette und der Feuerteufel-Rap

Das Bühnenstück „Feuerteufel und der gelben Sack” der Jugendfeuerwehr-Puppenbühne wurde 1998 als Hörspiel bearbeitet und durch die LAVA-Studios in Paderborn mit Berufsschauspielern produziert. Das Innenministerium Nordrhein-Westfalen hat nach eingehender fachlicher sowie pädagogischer Prüfung diese Hörspielkassette für die Brandschutzerziehung für sehr gut befunden und durch den Ankauf der ersten 5000 Kassetten finanziell gefördert. In diesem Stück geht es um Müllsortierung und um eine brennende Wunderkerze, die Seppel aus Angst vor der Hausmeisterin in die Tonne mit dem gelben Sack wirft. Einen besonderen Stellenwert bekommt die Problematik der Lagerung von gelben Säcken sowie Altpapier im Treppenraum und den daraus entstehenden Gefahren.
In diesem Stück werden folgende Aspekte der Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung angesprochen: Fahrlässige Brandstiftung durch Kinder auf Grund einer Angstsituation (erwischt zu werden); Erkennen, dass man bei Feuer nicht weglaufen darf; richtiges Absetzen von Notrufen; Hinweise zum weiteren Verhalten im Brandfall; Gefährdung durch Rauch im Brandfall; Selbstrettung durch Frühwarnung von Rauchmeldern; Tipps zum Umgang mit Wunderkerzen sowie der
Hinweis, dass nur bei vorsätzlicher Brandstiftung bzw. böswilliger Alarmierung der Feuerwehr der Einsatz kostenpflichtig ist. Zusätzlich wird dem Zuhörer das richtige Müllsortieren näher gebracht. Als Zugabe gibt es auf der Hörspielkassette einen Feuerteufel-Rap, den die Truppe mit einem Kinderchor aus Paderborn aufgenommen hat. Mehrtägige Gastspielreisen führte die Kasperbühne 1995 nach Berlin und Wünsdorf (Landkreis Teltow-Fläming) in Brandenburg, 1996 nach Düsseldorf, Wuppertal, Lüdenscheid und Grevenbrück; Grevenbroich, Lüdenscheid, Olpe und Lennestadt sowie erneut nach Wünsdorf und 1999 nach Frankfurt am Main;

Zur Unterstützung bei der Gründung neuer Jugendfeuerwehr-Puppenbühnen schrieb Robert Husemann 1996 ein Handbuch „Handpuppenspiel in der Brandschutzerziehung” über Erfahrungen, Bühnentechnik, Grundregeln der Puppenführung, Handpuppen, Puppenspieltexte und die Organisation einer Puppenbühne. Zur Interschutzmesse 2000 in Augsburg wurde das Handbuch komplett überarbeitet und als Lehr-CD ROM mit der modernsten Multimediatechnik neu aufgelegt. Sie gibt praktische Tipps mit Zeichnungen, Fotos und vielen Videoclips zu allem, was man zum Puppenspiel in der Brandschutzerziehung wissen muss.

Insgesamt zwanzig Feuerwehr-Bühnen arbeiteten im Jahr 2000 im Bundesgebiet nach dem Paderborner Modell, und Feuerwehrkollegen aus über 120 Feuerwehren setzen die in Paderborn entwickelten und erprobten Klappmaulpuppen, wie das Feuerteufelchen „Zündel’ und den Feuerwehrjungen, im offenen Puppenspiel in der Brandschutzerziehung ein.

Der Erfolg der Paderborner-Jugendfeuerwehr-Puppenbühne ist in erster Linie den Betreuern und Jugendlichen zu verdanken, die bis zum Jahr 2000 zusätzlich zu ihrem Jugendfeuerwehrdienst über 700 Vorstellungen des Feuerwehrkaspers vor fast 45.000 Kindern ermöglichten. Die große positive Resonanz ist aber auch das Ergebnis des guten Zusammenspiels bei den Aufführungen der Jugendlichen untereinander.

Der ungewöhnliche Erfolg des Paderborner Jugendfeuerwehr-Kaspertheaters gründet sicherlich in dem engagierten Team und auch darin, dass Kinder das Kaspertheater lieben. Sie identifizieren sich mit den verschiedenen Rollen und der Handlung und wirken auf ihre spontane Weise im Spiel mit. Im Puppentheater wird wohl einer der größten Kinderträume erfüllt: „Puppen werden lebendig”. Die Begeisterung der Zuschauerkinder vor der Bühne und der Mitglieder der Jugendfeuerwehr hinter der Bühne beruht auf Gegenseitigkeit und wird hoffentlich noch lange nicht verblassen.